In Alsfeld bestand eine jüdische Gemeinde zunächst im Mittelalter. Wie groß die jüdische Gemeinde im Mittelalter in Alsfeld war, läßt sich nicht feststellen. Sie muss jedenfalls so groß gewesen sei, dass sie sowohl eine Synagoge als auch eine Judenschule besaß.Es ist anzunehmen, dass die Ansiedlung bereits vor 1348/49 erfolgte und mit der Judenverfolgung in der Pestzeit gewaltsam beendet wurde.
Im 17. Jahrhundert lebten nur vereinzelt Juden in der Stadt; 1721 wird ein Hofjude genannt.
Anfang des 19. Jahrhunderts gab es zunächst nur zwei jüdische Familien in Alsfeld. Durch Zuzug aus umliegenden Dörfern (u.a. Angenrod) vergrößerte sich die Zahl der jüdischen Einwohner 1840 etwa auf 70 jüdische Einwohner, was den entschiedenen Widerstand antijüdischer Kreise in der Stadt hervorrief. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1861 67 jüdische Einwohner (1,7 % von insgesamt 4.033 Einwohnern), 1871 73 (2,0 % von 3.612), 1880 178 (4,5 % von 3.973), 1895 213 (5,3 % von 3.975), 1910 252 (5,0 % von 5.001).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge , eine Religionsschule, ein rituelles Bad (bis 1826 drei private rituelle Bäder, danach ein Badehäuschen der jüdischen Gemeinde) sowie seit 1877 ein eigener Friedhof (Beisetzungen zuvor im Friedhof Angenrod). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. An jüdischen Lehrern sind insbesondere zu nennen: um 1860 Lehrer Steinberger (genannt bei einer Lehrerkonferenz in Gießen 1860), von 1875 bis 1911 Lehrer M. Spier, danach Lehrer Koschland (genannt beim Bericht zur Verabschiedung von Lehrer Spier s.u.), gefolgt von Lehrer Leopold Kahn.
Die Gemeinde gehörte zum orthodoxen Provinzialrabbinat Oberhessen mit Sitz in Gießen.
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Um 1924, als zur jüdischen Gemeinde 229 Personen gehörten (4,6 % von insgesamt ca. 5.000 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Adolf Steinberger, Albert Stein, Isaak Strauss, Dr. Max Rothschild und Julius Justus. Als Lehrer und Kantor wirkte der bereits genannte Leopold Kahn (auch 1932), als Synagogendiener Abraham Kupferminz, als Synagogendienerin Anna Horz, als Rechner Friedrich Seippel. Die Religionsschule der Gemeinde besuchten 28 Kinder, dazu erhielten weitere sieben Kinder Religionsunterricht. Lehrer Kahn unterrichtete auch die Kinder umliegender Gemeinden, u.a. in Ober-Gleen und Kirtorf.
An jüdischen Vereinen bestanden der Wohltätigkeitsverein Chewro Gemilus Chasodim (Männerchewro, 1924 Leitung Hermann Spier, 1932 Leitung Lehrer Kahn, Zweck und Arbeitsgebiete: Unterstützung Hilfsbedürftiger und Kranker), der Frauenverein Frauen-Chewro (1924/32 Leitung Auguste Strauss, Zweck und Arbeitsgebiete: Unterstützung Hilfsbedürftiger und Kranker), eine Ortsgruppe der Agudass Jisroel (1924 Leitung Hugo Rothschild), eine Jugendgruppe der Agudass Jisroel (1924 Leitung Leopold Kahn), ein Jungjüdischer Wanderbund J.W.B. Ortsgruppe (Leitung Tilde Rothschild), ein Verein zur Hebung des Gottesdienstes (1924 Leitung Abraham Lorsch), die Armenkasse (Durchwandererunterstützung; 1924/32 Leitung Leopold Kahn) und die Anijim Kasse (für Ortsarme und Arme der Umgebung; 1924 Leitung Adolf Steinberger). 1932 waren die Vorsteher der Gemeinde Adolf Steinberger (1. Vors.), Isak Strauß (2. Vors.) und Dr. Max Rothschild (3. Vors.). Der genannte Adolf Steinberger war 1930-31 stellvertretendes Mitglied im Landesverband der Israelitischen Gemeinden Hessens.
Jüdische Unternehmer und Gewerbetreibende spielten im wirtschaftlichen Leben der Stadt Alsfeld seit der Mitte des 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. So waren in jüdischem Besitz eine Likörfabrik, eine Textilfabrikation, ein Sägewerk, eine Brauerei, ein Bankgeschäft. Es gab jüdische Metzger, Bürstenbinder, Elektrotechniker, auch einen jüdischen Arzt und einen Zahnarzt.
1933 lebten noch 220 Juden in Alsfeld. Zu Gewalttätigkeiten von Nationalsozialisten kam es bereits am Tag der Machtübernahme am 30. Januar 1933 und nahmen im Laufe des Jahres ständig zu, sodass sich bereits mehrere Familien zur Emigration entschlossen. Leopold Spier, Inhaber des Bankgeschäftes N. Spier Söhne, beging 1933 Selbstmord. Auf einige der jüdischen Geschäfte hatten es die Nationalsozialisten besonders abgesehen, u.a. auf das Getreide- und Düngemittelgeschäft von Adolf Cahn (Hersfelder Str. 9). Sein Laden wurde zerstört, Adolf Cahn kam längere Zeit ins Gefängnis. In den folgenden Jahren haben jährlich zwischen 30 und 40 der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien Alsfeld verlassen beziehungsweise sind ausgewandert. 35 Personen konnten in die USA emigrieren, 27 nach Palästina, 15 nach Südafrika, je fünf nach England und Frankreich. Viele verzogen in andere Orte, insbesondere in die Frankfurter Gegend. Beim Novemberpogrom 1938 wurde nicht nur der Innenraum der Synagoge in Brand gesetzt, sondern auch die Fenster der jüdischen Wohnhäuser und Geschäfte eingeworfen. Das Inventar der Läden – von Lebensmitteln bis zu Lederwaren – wurde auf die Straße geworfen. 1939 wurden nur noch 33 jüdische Einwohner in Alsfeld gezählt, im Jahr darauf nur noch vier. In den folgenden Jahren wurden aus Alsfeld stammende Juden aus anderen Orten deportiert.
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