Am, 07.09.2010, am Tage der zweiten Verlegung von Stolpersteinen in Alsfeld, die an die deportieren und ermordeten Alsfelder Juden erinnern sollen, hat der Lokalhistoriker Heinrich Dittmar unter dem Titel: „Heute vor 75 Jahren endete Brauerei-Ära Wallach“ einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungsarbeit an die ehemals in Alsfeld lebenden Juden geschrieben.
Alsfeld hatte eine prosperierende Brauerei, die bis 1935 der jüdischen Familie Wallach gehörte. In einer kleinen Chronik der Alsfelder Brauerei heißt es zu den Ereignissen von 1935 lapidar: „1935 wurde aufgrund politischer Ereignisse die von Karl Wallach geführte Brauerei von der neu gegründeten Genossenschaft übernommen“.
Den Verkauf der Alsfelder Brauerei an die Genossenschaft der Gastwirte wird man wohl vor dem Hintergrund von Arisierungen bewerten müssen, so Dittmar. Laut der Berichterstattung im Lauterbacher Anzeiger von 1935 wurde der Kauf als sehr günstig bezeichnet Dem LA zufolge hatte die Brauerei 1906 beim Bau eine Million Mark gekostet; nun war sie für 425.000 Reichsmark zu bekommen, schreibt Volker Nies vor einigen Jahren.
Zur Zeit der Verkaufsverhandlungen war Charlotte Wallach schwanger. Sie berichtete 1988, bei einem Besuch in Alsfeld, dass sie damals von Leuten der NSDAP bedroht und ihr Schwiegervater unter Druck gesetzt worden war. Man hielt auch ihr eine Pistole an den schwangeren Leib und belästigte sie. Dies alles dürfte die Unterschrift unter den Kaufvertrag bei Notar Wachtel durch Karl Wallach beschleunigt haben.
Schon seit Mitte der dreißiger Jahre waren in der deutschen NS-Führung Überlegungen angestellt worden, wie man sich der deutschen Juden entledigen könne. Dabei markierte das Bestreben, sie zur Auswanderung zu zwingen, das eine Ziel; das Interesse, an ihr Vermögen zu kommen, das andere, und beide Ziele versuchte man in Einklang zu bringen.
Am 7. September 1935, verkaufte Karl Wallach dann seine Brauerei in der Grünberger Straße an eine Genossenschaft von Gastwirten. Die Wirte hatten sich kurz vorher in der Genossenschaft organisiert.
Eine solch große Transaktion wird gewiss mit der Beteiligung der lokalen Banken Sparkasse oder Volksbank stattgefunden haben. Sie bildeten ein Glied in der Kette der „Arisierung“, indem sie zum Erwerb jüdischer Besitztümer „Arisierungskredite“ vergaben und so auch schon vor 1939 an der Enteignung Jüdischer Unternehmen beteiligt waren.
Geschwindigkeit und Ausmaß der „Arisierung“ wurde vor allem in den Anfangsjahren von lokalen Akteuren bestimmt.
Ab Januar 1939 wurde Juden in Deutschland das Betreiben von Einzelhandelsgeschäften und Handwerksbetrieben sowie das Anbieten von Waren und Dienstleistungen untersag. Mit der Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 12. November 1938 wurden die schon vorher durchgeführten
„Arisierungsaktionen“ abgeschlossen.
Die mit diesen Verordnungen verbundenen Prozesse hätten sich ohne eine Beteiligung der Kreditinstitute nicht realisieren lassen. Vor diesem Hintergrund wäre es nunmehr nach über 80 Jahren an der Zeit, dass die hiesige Sparkasse und die Volksbank ihr damaliges Wirken untersuchen lassen.